Montag, 8. Juni 2015




Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, außer man ist Staatsanwalt.

 

Oder warum die Frage des Vorsatzes eines juristischen Laien, eines Rechtsanwaltes und eines Staatsanwaltes bei deren Verwirklichung eines Straftatbestandes unterschiedlich bewertet werden.



1. Der gemeine Bürger

Bei der Frage, ob ein Täter vorsätzlich gehandelt hat, ist die „Parallelwertung in der Laiensphäre“ entwickelt worden, die so alt ist, wie der BGH selber. Bereits 1953 stellte der BGH fest, dass bei der Frage nach dem Vorsatz des Täters nicht darauf ankommt, ob dieser die juristischen Begriffsbildungen richtig erfasst hat, sondern allein darauf, ob der Täter den wesentlichen Bedeutungsgehalt der rechtlichen Wertung erfasst hat.

http://www.iurado.de/?p=urteile&site=iurado&id=1796

2. Der Rechtsanwalt

Diese Rechtsauffassung gilt nicht für den Volljuristen, denn dieser sollte sich ja mit dem Gesetz auskennen.

Von einem Rechtsanwalt wird verlangt, dass er die einschlägige Gesetzgebung und Rechtsprechung kennt. Er muss aber auch beachten, dass der BGH seine Rechtsauffassung zu Lasten des Anwaltes jederzeit ändern kann und sein Verhalten darauf abstimmen. Dabei muss er entscheidungsunerhebliche Andeutungen des BGH aus 30 Jahre alten Verfahren ebenso berücksichtigen, wie das Räuspern eines Instanzrichters irgendwo zwischen Flensburg und Oberammergau.

http://www.iurado.de/?p=urteile&site=iurado&id=1132

Auf die Rechtsprechung des BGH darf er aber auf keinen Fall vertrauen, da es zwar das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen gibt, nicht aber das Verbot der Rückwirkung einer Rechtsprechungsänderung.

http://www.iurado.de/?p=urteile&site=iurado&id=1134
http://www.iurado.de/?p=urteile&site=iurado&id=1133

3. Der Staatanwalt

Beim Staatsanwalt, auch Volljurist, aber Staatsdiener, ist dies selbstverständlich anders:
So entschied das OLG Hamm (AZ: III-5 Ws 117/15, 19.05.2015) in einem aktuellen Verfahren einer hinlänglich bekannten Essener Oberstaatsanwältin, dass diese sich selbst dann nicht wegen Rechtsbeugung strafbar mache, wenn ihre völlig abwegigen Rechtsansichten, mit denen sie unbescholtene Bürger mit Strafverfahren überzog, gegen sämtliche ergangene Gerichtsurteile und Literaturmeinungen sprachen. Denn, so das OLG Hamm, selbst eine völlig unvertretbare Rechtsauffassung lässt nicht auf einen Vorsatz schließen, solange die Oberstaatsanwältin nur glaubt, ihre Auffassung sei richtig, was den Vorsatz bereits ausschließt.

http://www.iurado.de/?p=urteile&site=iurado&id=1797

Es bleibt zu hoffen, dass durch diese Entscheidungen niemand den Glauben an unsere Justiz verliert.